Das Konzept

22.08.2012 10:19

Kinder- und Jugendbeteiligung ist heutzutage in aller Munde, doch gelingende Partizipation die an den Bedarfen von Kindern und Jugendlichen anknüpft und nachhaltig wirkt, ist häufig schwer mit den Strukturen und Methoden der Erwachsenen in Politik, Verwaltung und Organisationen vereinbar. Dabei liegen die Vorteile für beide Seiten klar auf der Hand: Beteiligung stärkt junge Menschen und die Kommune. Laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung (2009) ist Partizipation ein wichtiger Zugehörigkeitsfaktor, Integrationsfaktor, Bildungsfaktor, Wirtschaftsfaktor, Effizienzfaktor und Zukunftsfaktor. Die Wichtigkeit von Kinder- und Jugendbeteiligung auf kommunaler Ebene ist auch in Fürstenwalde, einer Stadt mit ca. 32.000 Einwohnern im Osten Brandenburgs, unumstritten, der Wille zur Umsetzung eines entsprechend strukturierten Verfahrens wurde von Seiten der Politik, der Verwaltung wie auch von Seiten der Jugendarbeit mehrfach bekräftigt. Die Erfahrungen aus verschiedenen Projekten (u.a. verschiedene Workshops mit Gruppen von Kindern und Jugendlichen zum Thema: wie kann Fürstenwalde kinderfreundlicher werden?) der vergangenen Jahre zeigen, dass eine gute Zusammenarbeit möglich ist und der Wunsch der Kinder und Jugendlichen, sich beteiligen zu wollen, ist vorhanden. Was bislang fehlte war ein kommunales ganzheitliches System zur Kinder- und Jugendbeteiligung. In den Vorgesprächen identifizierten die beteiligten Parteien drei wesentliche Handlungsfelder für die Kinder- und Jugendbeteiligung auf kommunaler Ebene und damit verbunden auch die entsprechenden Akteure:

  • Handlungsfeld Politik: hierbei geht es in erster Linie um eine Öffnung der Politik und mehr Transparenz, so dass Kinder und Jugendliche Politik und Politikfelder besser verstehen lernen. Möglich wäre etwa ein stärkerer Kontakt zu Kindern und Jugendlichen über die Zusammenarbeit mit Schulen, Besuche im Unterricht, Fragestunden etc.
  • Handlungsfeld Verwaltung: auch hier geht es um mehr Öffnung und die Schaffung von Transparenz z.B. durch die Einführung eines Kinder- und Jugendtelefons, das Verdeutlichen von Verwaltungsstrukturen und Verwaltungshandeln sowie die Benennung konkreter Ansprechpartner und Öffentlichkeitsarbeit z.B. in Form einer Infobroschüre
  • Handlungsfeld Jugendarbeit: hier geht es in erster Linie um die Einführung eines einrichtungsübergreifenden Modells, das die Kinder- und Jugendbeteiligung auf kommunaler Ebene wesentlich voranbringen soll, in zweiter Linie auch um die Verbesserung von Beteiligung in den Einrichtungen.

Im Wesentlichen hat das Projekt zwei Handlungsschwerpunkte bzw. Teilprojekte:

  1. Die Planung, Vorbereitung, Durchführung und Evaluierung eines kommunalen Beteiligungsmodells für Kinder und Jugendliche (Kommunale Kinder- und Jugendbeteiligung) als Pilotprojekt
  2. Die Beratung der Beteiligten Akteure bei der Planung und Umsetzung der Vorhaben in den oben beschriebenen 3 Handlungsfeldern (Beratung und Fortbildung): Durchführung von 4 Workshops „fit für Beteiligung“ für Fachkräfte aus den benannten Einrichtungen und Diensten

Die Umsetzung des Teilprojektes 1 "Kommunale Kinder- und Jugendbeteiligung" soll als Pilotprojekt, also „exemplarisch“ nach dem im folgendem dargestellten Schema erfolgen. Ausgehend von vielfältigen und langjährigen Erfahrungen mit kommunalen Beteiligungsmodellen (wie z.B. Jugendparlamenten oder Jugendbeiräten, die teilweise nicht immer ganz den Lebensrealitäten von jungen Menschen entsprachen, sich für eine bestimmte Sache mit einem überschaubaren zeitlichen und inhaltlichen Umfang engagieren zu wollen, und somit oft nur einen bestimmten Teil der jungen Menschen erreichten, nämlich den, der sich am besten an vorhandene Strukturen - der Erwachsenen - anpassen wollte oder konnte), soll hier ein neues Modell entwickelt werden, das sich an den Lebenswelten junger Menschen orientiert. Zunächst soll es in Zusammenarbeit mit Schulen im Lebensraum und -alltag Schule, ca. 90-minütige Workshops in Schulklassen (Schritt 1) eines Jahrgangs geben (Klasse 8), in denen die Kinder und Jugendlichen von Jugendarbeitern und von zu diesem Zweck geschulten Teamern eine kurze Einführung in das Themenfeld Jugendbeteiligung und Kommunalpolitik sowie Verwaltung bekommen, danach sollen die Kinder und Jugendlichen zu Wort kommen und im Rahmen des Beteiligungsworkshops, die für sie wichtigen und relevanten Themen erarbeiten und bestimmen. Die Kinder und Jugendlichen wählen in ihren Klassen Delegierte, die ihre Themen und Forderungen in einem Vertiefungsworkshop (Schritt 2) weiterhin vertreten. Im Vertiefungsworkshop (1 Tag) in der Jugendbildungsstätte Hirschluch kommen die Delegierten der verschiedenen Klassen und Schulen zusammen, stimmen ihre Themen und Forderungen miteinander ab, bereiten eine Vorortbesichtigung wichtiger Orte zum Abgleich ihrer Themen mit der tatsächlichen Situation, zu der wiederum alle beteiligten Kinder und Jugendlichen eingeladen sind, vor und bereiten dann ein Plenum vor (Schritt 3), in dem ihre Themen, Wünsche und Forderungen öffentlich vorgestellt werden und bei dem es zum Dialog mit lokal verantwortlichen Entscheidungsträgern aus Politik, Verwaltung und jugendrelevanten Einrichtungen (Jugendclubs, aber auch Bibliotheken, Sportvereine, Schwimmbad etc.). Neben dem direkten Dialog beim Plenum, sollen Verwaltung und Politik einen angemessenen Zeitrahmen (ca. 4-6 Wochen bekommen), auf die Wünsche und Forderungen der Kinder und Jugendlichen zu reagieren, was wiederum in einem zweiten Plenum (Schritt 4) öffentlich präsentiert wird. So kann z.B. bestimmten Wünschen und Forderungen sofort abgeholfen werden, für andere zumindest die Gründe für die Umsetzung oder Nicht-Umsetzung erläutert werden, oder es können z.B. altersgemischte Arbeitsgruppen einberufen werden, die ein Thema weiterhin begleiten. Kinder und Jugendliche erfahren so eine Form der direkten Beteiligung, werden über die Teilerfolge und Umsetzungsschritte informiert (eigene Teilnahme, direkte Berichterstattung der Delegierten, Homepage, Presse) und lernen sich einzumischen.

Die Umsetzung dieses Teilprojektes 1 erfolgt in einer Pilotphase mit 4 Einrichtungen der Jugendarbeit und jeweils einer Partnerschule (insg. ca. 12 Klassen) in den 3 Fürstenwalder Regionen Nord, Mitte und Süd (Randnotiz: Schule wird in diesem Zusammenhang als Kooperationspartner der Jugendarbeit und als Lebensort der jungen Menschen verstanden, es soll sich nicht um eine schulische Veranstaltung handeln). Nach der Evaluation der Pilotphase könnte das Programm nach dem oben beschriebenen Schema ausgeweitet werden. So würde ein Zyklus entstehen, der nach Ablauf des Projektes kontinuierlich mit den Vorhandenen Ressourcen in Fürstenwalde (z.B. immer im Schuljahrgang 8) weitergeführt werden könnte. Erfahrungen aus ähnlichen Projekten im Ausland (z.B. einzelnen Bezirken der Stadt Wien) zeigen, dass Politik und Verwaltung nach den positiven Erfahrungen auch bereit sind, Jugendlichen die Verantwortung für die Verteilung von Haushaltsmitteln für ihre Projekte zu übertragen, was im Rahmen dieses Projektes aber diskutiert werden muss. Die Umsetzung des Teilprojektes 1 erfolgt in enger Zusammenarbeit mit einer jeweils vor Ort zuständigen Jugendeinrichtung und deren Fachkräften in den 3 Regionen Fürstenwaldes. Zusätzlich werden für die Umsetzung der Workshops TeamerInnen aus den und in Kooperation mit den Erzieherfachschulen in Fürstenwalde ausgebildet.

Beim Teilprojekt 2 "Beratung und Fortbildung" handelt es sich um die Begleitung und Beratung der ganz oben beschriebenen 3 Handlungsfelder (Politik, Verwaltung und Jugendarbeit) bei der Umsetzung von mehr Kinder- und Jugendbeteiligung aus Sicht der Kinder- und Jugendhilfe im gesamten Projektzeitraum. Die Begleitung erfolgt durch eine/n Projektkoordinator/in und durch 4 Workshops „fit für Beteiligung“ für Fachkräfte aus Verwaltung, Politik und Jugendarbeit.

Die Gesamtsteuerung erfolgt durch eine/n Projektkoordinator/in. Auf kommunaler Ebene wird aus jedem der drei Handlungsfelder (s.o.) eine verantwortliche Person benannt, die zusammen die Steuerungsgruppe bilden. Hierbei geht es um die organisatorische Steuerung. Zusätzlich wird es eine Projektgruppe geben, in der insbesondere Vertreter der 3 Regionen sitzen. Hier geht es insbesondere um die Konzeptentwicklung und die inhaltliche Steuerung. Eine inhaltliche Abstimmung und externe Beratung soll es auch mit der Landesstelle für demokratische Jugendbeteiligung geben.